Flink und emsig im IR-Alltag
Der Alltag einer Internen Revision sollte sich am Grundauftrag der Internen Revision orientieren, nämlich die Zielerreichung ihrer Organisation abzusichern. Risikobasierte Revision («risk-based auditing») ist in aller Munde. Seit in der Neuformulierung der internationalen Norm ISO31000:2018 zum Risikomanagement ein Risiko neu als «Auswirkung von Unsicherheit auf Ziele» definiert wird (der Standard meint hier nicht das «U» in VUKA sondern den Überbegriff der Unvorhersehbarkeit), wird diese radikale Zielorientierung der Internen Revision noch deutlicher. Doch wie kann eine Interne Revision eine «flinke Durchgängigkeit» zwischen den Zielen der Organisation und ihrer täglichen Arbeit gewährleisten? Die Antwort liegt in einem von unserem Berufsstand bisher wie eine «heilige Kuh» in allen Neuformulierungen von Berufsstandards und in allen nicht-österreichischen(*) Weiterbildungen unberührt belassenen und oft komplett ignorierten starren Fundament der Revisionsarbeit, dem sogenannten Audit-Universum.
Das Audit-Universum bestimmt das zu Prüfende und hat daher einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Themen und den Inhalt der IR-Prüfungen. Meist wird das Audit-Universum als Kollektiv aller Organisationseinheiten und/oder aller (auf einer praktikablen «Flughöhe» zu wählenden) Prozesse angesehen. Die Statik der Aufbauorganisation und die meist auf Beharren ausgerichtete Ablauforganisation bestimmen so ganz fundamental die Arbeit der Internen Revision – und lähmen sie. Ein agiles Audit-Universum entspricht dem Grundauftrag der Internen Revision viel besser, da es radikal die Zielerreichung der Organisation abbildet und so die IR-Arbeitsleistung ohne verzögernde Puffer direkt auf die Unterstützung der Zielerreichung legt. Konkret heisst dies, dass das agile Audit-Universum als «Prüfobjekte» anstatt Organisationseinheiten oder Prozesse direkt die Ziele der Organisation umfasst. Das Audit-Universum sollte von Natur aus anpassungsfähig sein. Bei klassischer Gestaltung des Audit-Universums sollte die Interne Revision regelmässig ihre Organisation nach Änderungen in Prozessen oder der Organisationsstruktur abscannen, um keine unbekannten Abdeckungslücken zu übersehen. Bei agiler Gestaltung ergibt sich die Anpassungsfähigkeit automatisch durch die jeweils direkt nachvollzogene Änderung der Ziele.
In der Praxis ergeben sich bei der Gestaltung eines agilen Audit-Universums zwei lösbare Herausforderungen. Zum einen setzen sich Organisationen oft strategische Ziele, die derart wolkig oder unpräzise sind, dass eine direkte Anknüpfung der IR-Arbeit daran schwierig oder nicht sinnvoll wäre. Ich habe das erste mir bekannte agile Audit-Universum 2022 bei der Internen Revision der Siegfried AG, eines führenden Pharma-CDMO-Unternehmens (contract and development manufacturing organisation), entdeckt. Der Leiter der Internen Revision von Siegfried, Philipp Husi, ermittelt die Prüfobjekte seines Audit-Universums in Workshops mit den eine Hierarchiestufe unter der Geschäftsleitung wirkenden Führungskräften. In diesen Gesprächen, die er als kurzen Gesprächspunkt in anderen ohnehin stattfindenden Besprechungen integriert hat, fragte er die Führungskräfte nach dem Beitrag ihrer Einheit zum Gesamtunternehmen und was diesen Beitrag stören könnte. Die sich ergebenden Themen bilden sein Audit-Universum. Dieses natürlich entwickelte Vorgehen ist Agilität in Bestform und ermöglicht eine radikale Zielorientierung der IR ohne durch die strategische Komponente strategischer Ziele zu weit von operativer Prüfbarkeit entfernt zu sein.
Zum anderen wirken Interne Revisionen häufig auch in Organisationen der öffentlichen Hand, wo sich die Zielsetzung deutlich von gewinnorientierten Unternehmungen unterscheidet. Dieser Unterschied stellt keine Hürde für ein agiles Audit-Universum dar. So definiere ich aktuell als Leiter der Internen Revision des Steueramts des Kantons Zürich dessen agiles Audit-Universum als Summe der gesetzlich geregelten und abgeleiteten Aufgaben des Steueramts, der Jahresziele und Risiken der Geschäftsleitung und der periodisch angepassten strategischen und föderalen Ziele. Auf diese Weise wirkt die Interne Revision des Steueramts ihrer berufsständischen Mission voll entsprechend direkt an der Erhöhung der Sicherheit der Zielerreichung und der gesetzlichen Aufgabenerfüllung des Steueramts mit.
Ich habe dank meiner Tätigkeit als Coach für agiles Arbeiten in der Internen Revision häufig erlebt, dass die Arbeitszufriedenheit und die Leistungsfähigkeit von Internen Revisoren, die mit Freude «flink und emsig» innovative Lösungen in ihrem Arbeitsalltag leben, deutlich steigen. Wer mit Agilität und Anpassungsfähigkeit arbeitet, setzt, orientiert an firmenspezifischer Notwendigkeit, gerne Innovationen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Revisionsprozesses und in allen Kern-, Führungs- und Unterstützungsprozessen der Internen Revision um. Es würde den Umfang dieses Blogbeitrags sprengen, hier auf alle Möglichkeiten im Detail einzugehen. Ich erwähne daher im Folgenden nur kurz und stichwortartig einige im Allgemeinen besonders sinnvolle Varianten.
Da Interne Revisionen in den letzten Jahren mit einer Vielzahl an neuen Gefährdungen und potentiellen Chancen konfrontiert wurden (Stichwörter «künstliche Intelligenz und Algorithmen», «Cloud Computing», «Cyber Security», «Generationswechsel», «Fachkräftemangel», «Energiekrise», «radikale Klimapolitik»…), sich aber ihr Personalbestand in der Regel nicht erhöhte, muss der Berufsstand effizienter arbeiten. Hierfür bieten agile Vorgehensweisen folgende Möglichkeiten:
Die Berichterstattung verschlingt häufig einen grossen Anteil der IR-Arbeitszeit. In meiner Zeit als Leiter der Internen Revision der schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva waren dies anfänglich 60% der Arbeitszeit, bevor wir als weltweit erste Interne Revision Scrum als agiles IR-Vorgehen einführten und die bis zu 60-seitigen Revisionsberichte durch eine agile Berichterstattung ersetzten. Diese basierte auf einer agilen Datenbank aus Feststellungen und Empfehlungen, die jeweils einzeln und noch während der laufenden Prüfungsarbeiten in Vernehmlassung bei den Geprüften geschickt werden konnten. Für das Audit Committee fertigten wir halbjährlich einseitige Kurzdarstellungen aller abgeschlossenen Prüfungen an, einen anderen Prüfbericht der Internen Revision gab es nicht.
Die Planung der Internen Revisionsarbeit wird häufig immer noch als starre «Jahresplanung» oder sogar «Mehrjahresplanung» betrieben. In einer agilen Planung kann hier eine fortlaufend aktualisierte und priorisierte Aufgabenliste aller geplanten Aufgaben und Prüfungen, das sogenannte IR-Backlog, ersatzweise zum Einsatz kommen. Prüfthemen, welche hoch oben auf dem IR-Backlog sind, werden in Kürze angegangen, die weiter unten befindlichen Themen bilden dann in Summe die in Abhängigkeit von der ziel-/risikoorientierten Priorisierung fluide Quartals-, Jahres- oder Mehrjahresplanung.
Effiziente Arbeit der Internen Revision setzt eine wirksame Zusammenarbeit im Revisionsteam voraus. Agiles Zusammenarbeiten im IR-Team ermöglicht es, die Kompetenzen aller Internen Revisoren für jede einzelne Prüfung zu aktivieren. Anstatt wie im traditionellen IR-Prüfvorgehen einzelne Interne Revisoren oder Minigruppen in siloartiger Abschottung einzelne Prüfungen parallel und isoliert bearbeiten zu lassen, fördern agile Arbeitsweisen die Kommunikation, das Teilen von Wissen und die aufgaben- und kompetenzgetriebene Bearbeitung von Prüfungen als selbstorganisiertes Team.
Wenn wir die Entwicklung unseres Berufsstandes vorherzusehen versuchen, können wir individuell je nach Organisation besondere Herausforderungen auf uns zukommen sehen, deren Lösung eine Entwicklung der heutigen Kompetenzen der Internen Revision und ihrer Internen Revisoren benötigt. Bei diesen mittel- bis langfristigen Anpassungen der IR-Kompetenzen, insbesondere im Themenfeld der digitalen Transformation, hilft uns eine entwickelte Anpassungsfähigkeit.
Flink und emsig Aufgaben erledigen, Kompetenz teilen, Entscheidungsträger informieren und die Zielerreichung der eigenen Organisation absichern helfen macht Spass! Agilität und Anpassungsfähigkeit sind mächtige Werkzeuge der Internen Revision, die – richtig genutzt – unseren Mehrwert für unsere Organisationen steigern helfen und die Motivation der IR-Mitarbeiter erhöhen können. Herzliche Empfehlung, dies im eigenen Team selbst auszuprobieren! Wer hierfür Unterstützung und kreative Ideen wünscht: ich bin sehr gerne als agiler Coach für Euch da.
(*) Das Thema «agiles Audit-Universum» wurde weltweit erstmals im zweitägigen Weiterbildungsseminar «Agiles Auditing» (Seminarprogramm 2023 und 2024) der Akademie des IIA Austria in Wien von mir vorgestellt.