Generative AI: Ein Paradigmenwechsel für die Interne Revision?!

Paradigmenwechsel

Einleitung

In der heutigen Geschäftswelt gewinnt Künstliche Intelligenz (KI) immer mehr an Bedeutung. Dies gilt auch für die Interne Revision, wo Werkzeuge wie ChatGPT neue Möglichkeiten eröffnen. Doch wie können diese Tools in der Internen Revision eingesetzt werden, welchen Nutzen bringen sie und welche Risiken bestehen? Wir haben mit Univ.-Prof. Dr. Marc Eulerich von der Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Interne Revision ein ausführliches Interview geführt. Prof. Dr. Eulerich geht in diesem Interview darauf ein, bei welchen Aufgaben Künstliche Intelligenz die Interne Revision unterstützen kann. Er führt aus, dass KI die Interne Revision nicht nur bei Routineaufgaben entlasten kann, sondern viel mehr auch bei komplexen Aufgaben eine Unterstützung sein kann. Insgesamt kann der Einsatz von KI die Effizienz und Effektivität der Internen Revision steigern. Am Lehrstuhl für Interne Revision wurde gemeinsam mit Prof. David Wood von der Brigham Young University ein Framework zur Nutzung von Technologie in der Revision entwickelt, das Prof. Dr. Eulerich im Interview vorstellt.

Thomas Schwalb: In der heutigen Geschäftswelt gewinnt Künstliche Intelligenz (KI) immer mehr an Bedeutung. Dies gilt auch für die Interne Revision, wo Werkzeuge wie ChatGPT neue Möglichkeiten eröffnen. Herr Professor Dr. Eulerich: wie können diese Tools in der Internen Revision eingesetzt werden und welchen Nutzen bringen sie?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Generative KI-Modelle ermöglichen es, sowohl einfache als auch komplexe Aufgaben an das System auszulagern. Dabei ist es wichtig, eine klare Zielsetzung zu haben: Durch die Nutzung solcher Technologien sollte die Arbeit effizienter und effektiver gestaltet werden. Ähnlich wie herkömmliche Software-Tools können KI-Modelle in den Revisionsprozess integriert werden. Die generative KI kann Aufgaben übernehmen, die ansonsten mühsam und zeitaufwändig wären, wie das Zusammenfügen von Dateien oder das Erstellen von Berichten. Dies führt nicht nur zu einer Effizienzsteigerung, sondern ermöglicht es den Mitarbeitern auch, sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren.

Die Nutzung von KI-Systemen in der Internen Revision erfordert jedoch eine sorgfältige Abstimmung mit der Unternehmensstrategie. Die Integration von KI sollte nicht isoliert geschehen, sondern im Einklang mit den übergeordneten Zielen des Unternehmens stehen. Eine harmonisierte Strategie, die die digitalen Aktivitäten der Revision in das Gesamtunternehmen einbettet, ist von entscheidender Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um technische Aspekte, sondern auch um die Anpassung der Arbeitsweise und die Gewinnung von Mehrwerten aus der KI-Nutzung.

Thomas Schwalb: Ein herausragendes Beispiel für den Einfluss von KI ist ChatGPT, das den Zugang zur KI für Nicht-Techniker erheblich erleichtert hat. Früher als Nischenthema angesehen, ist KI nun für viele zugänglich geworden, und die Euphorie über die Möglichkeiten ist spürbar. Dennoch sind Risiken zu berücksichtigen. Welche Risiken sehen Sie?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Die Validierung von Ergebnissen und Datenschutzbedenken sind zentrale Herausforderungen. KI-Modelle liefern Ergebnisse auf Grundlage von Training und Datensätzen, aber das Verständnis der zugrunde liegenden Prozesse kann herausfordernd sein. Die Sicherheit sensibler Daten bei der Verwendung von KI ist ebenfalls von höchster Bedeutung.

Insgesamt bietet die Integration von KI-Tools in die Interne Revision immense Chancen zur Effizienzsteigerung und zur Fokussierung auf anspruchsvolle Aufgaben. Jedoch sollten diese Chancen mit einem umfassenden Verständnis der Risiken und der Notwendigkeit einer strategischen Ausrichtung genutzt werden. Die Interne Revision kann zum Vorreiter werden, solange eine kluge und bedachte Herangehensweise gewählt wird.

Thomas Schwalb: Am Lehrstuhl für Interne Revision an der Universität Duisburg-Essen wurde von Ihrem Team ein neuartiges Framework zur Nutzung von Technologie in der Revision entwickelt. Was ist in diesem Framework enthalten?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Unser Framework bietet Antworten auf diese oben erwähnten Herausforderungen. Es ermöglicht die optimale Nutzung von KI-Technologien oder anderen technologischen Lösungen im gesamten Revisionsprozess.

Abbildung 1: Framework für einen KI – unterstützten Revisionsprozess, Quelle: papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4519583

Das Framework basiert auf dem bewährten Ansatz der Digitalisierung und wurde immer wieder Experten zur Validierung vorgestellt. Es verfolgt die Idee, den umfangreichen Werkzeugkasten der Revision gezielt auf spezifische Aufgaben anzuwenden. Ähnlich einem Handwerker, der das passende Werkzeug für jede Aufgabe auswählt, können Revisoren mithilfe des Frameworks die richtigen (KI-)Technologien identifizieren und nutzen.
Das Framework wurde auf alle Schritte des Revisionsprozesses angewendet, darunter Jahresplanung, Prüfungsvorbereitung, Durchführung, Berichterstattung und Follow-up. Für jeden Schritt werden potenzielle Use Cases analysiert, um herauszufinden, wo (generative) KI oder Technologie einen Mehrwert schaffen kann. Dabei spielen die Validierung der Ergebnisse und Datenschutzbedenken eine wichtige Rolle.

Abbildung 2: Antwort auf die Frage nach physischen Risiken durch ChatGPT, Quelle: papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4514238
Abbildung 3: Unterstützung bei der Prüfungsvorbereitung, Quelle: papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4514238
Abbildung 4: ChatGPT kann die Qualität des Berichtes verbessern, Quelle: papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4514238

Thomas Schwalb: Wie war das Team zusammengesetzt, das dieses Framework erstellt hat?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Neben unserem akademischen Personal arbeiten wir eng mit Kollegen der Brigham Young University, hier insbesondere Prof. David Wood zusammen. Aber auch Praktiker der Internen Revision haben wichtige Beiträge geliefert. Wir haben auch Wirtschaftsprüfer zur Zusammenarbeit eingeladen. Sie lieferten zusätzliche Einblicke, da der Schwerpunkt der Wirtschaftsprüfung im Vergleich zur Revision ein anderer ist. Die Fokussierung lag auf der Validierung von Ergebnissen, da Wirtschaftsprüfer strengen regulatorischen Anforderungen unterliegen. Die Integration von KI erfordert eine sorgfältige Prüfung, um gesetzliche Vorgaben zu erfüllen und Daten sicher zu handhaben.

Thomas Schwalb: Wie waren Ihre Eindrücke bezüglich der Qualität der Antworten von ChatGPT?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Ja, ich war durchaus positiv überrascht von der Qualität der Antworten von ChatGPT. Als wir damit begannen, das System zu nutzen, stellten wir fest, dass es in der Lage war, normale Fragen ebenso zu beantworten wie auch komplexe Themen zur Digitalisierung der Internen Revision. Dies hängt insbesondere von der genutzten Version und den Eingaben (Prompts) ab.

Thomas Schwalb: Das klingt vielversprechend. Wie sieht es mit der Anwendung in der Praxis aus?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Tatsächlich haben wir festgestellt, dass ChatGPT auch komplexe Aufgaben bewältigen kann, die normalerweise viel Zeit und Aufwand erfordern. Sogar Studierende ohne Berufserfahrung konnten in der Vorlesung anspruchsvolle Aufgaben aus dem Revisionsprozess, wie beispielsweise das Scoping eines neuen Prüfauftrages, erfolgreich durchführen.

Thomas Schwalb: Was wird das für die Ausbildung von Internen Revisoren bedeuten? Wie sieht es mit der Qualifikation von erfahrenen Internen Revisoren aus?

Prof. Dr. Marc Eulerich: ChatGPT verändert die Weiterbildung und Ausbildung von Internen Revisoren. Es ermöglicht schnelle Lösungen und kann auch Experten bei ihrer Arbeit unterstützen. Die Qualität des Outputs kann durch präzisere Fragestellungen an die KI gesteigert werden.

Thomas Schwalb: Wie kann ChaGPT zum Beispiel bei der Prüfungsvorbereitung helfen?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Mit ChatGPT können Ressourcen auf Basis von Risikobewertungen verteilt werden und schneller Prüfungspläne erstellt werden. Das System kann automatisch sortieren und Teams für spezifische Prüfungen generieren. Es ist schneller und preiswerter als herkömmliche Software.

Thomas Schwalb: Wie sieht es mit der Nutzung von Datenquellen für spezifische Aufgabenstellungen aus? Kann ChatGPT diese auch ohne detaillierte Kenntnisse des Datenmodells identifizieren?

Prof. Dr. Marc Eulerich: ChatGPT kann eigene Datenquellen für spezifische Aufgabenstellungen der Prüfungsvorbereitung nutzen. Hierbei reicht einfaches „Copy and Paste“. Das System kann auch Feedback zur Qualität der Antworten geben, was zu stetigen Verbesserungen führt. Aufgrund der Trainingsdaten für die KI können zum Beispiel die relevanten SAP – Tabellen für bestimmte Fragestellungen ohne Zeitaufwand identifiziert werden, ja sogar deren Verknüpfungen.

Thomas Schwalb: Wir haben bisher über die Vorteile des Einsatzes von ChatGPT in der Internen Revision gesprochen: Gibt es auch Bedenken oder Skepsis gegenüber ChatGPT?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Natürlich gibt es auch Skeptiker, aber ChatGPT bietet klare Vorteile. Es kann schnelle und qualitativ hochwertige Lösungen liefern und sogar dabei helfen, Expertenwissen zu erweitern.

Thomas Schwalb: Gibt es auch Erfahrungen mit dem Einsatz von ChatGPT in einem realen Unternehmen?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Wir haben ChatGPT in einem großen multinationalen Unternehmen getestet. Dort wurde der Ansatz zunächst als Pilotprojekt eingeführt, um die Arbeit der Internen Revision zu verbessern. Die Interne Revision dieses Unternehmens war immer schon sehr innovativ und hat zum Beispiel schon vor Jahren Process Mining eingeführt. Die ersten Versuche eines kleinen Teams in der Internen Revision waren bereits sehr vielversprechend und es bedurfte keiner großen Überzeugungsarbeit, das gesamte Team für den Einsatz von KI zu gewinnen. Das heißt, auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter konnte dadurch gesteigert werden. Natürlich waren auch andere Abteilungen in das Projekt mit einzubinden, da es um vertrauliche Daten geht. Und auch die Reaktionen der Mitarbeiter der geprüften Bereiche waren durchaus positiv.

Thomas Schwalb: Gibt es messbare Ergebnisse aus dem Einsatz von ChatGPT in diesem Unternehmen?

Prof. Dr: Marc Eulerich: Auf Basis der subjektiven Wahrnehmung der Anwender gibt es eine Schätzung, dass sich für verschiedene Prüfungsschritte eine Zeitersparnis von 50 bis 80 Prozent ergibt. Der Einsatz von ChatGPT hat jedenfalls zu einer spürbaren Effizienzsteigerung geführt.

Thomas Schwalb: Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen Nutzen und Risiken bzw. zwischen Kosten und Nutzen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Internen Revision?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Aus meiner Sicht überwiegt der Nutzen klar die Risiken. Selbst wenn wir keine sensiblen Daten verwenden und anonymisierte Informationen nutzen, ergibt sich stets ein positiver Kosten-Nutzen-Effekt. Die Kosten für Premium-Versionen solcher Tools sind vergleichsweise gering, und die Leistungsfähigkeit, gerade im Vergleich zu manuellen Prozessen, ist beeindruckend. Eine Zeitersparnis von 50 bis 80 Prozent in verschiedenen Prüfungsphasen ist durchaus realistisch, wie wir in der Praxis bereits feststellen konnten.

Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist generell positiv. Selbst wenn wir von einem Pilotprojekt ausgehen, bei dem die Kosten für Premium-Versionen anfallen, amortisiert sich der Einsatz bereits durch die erzielte Zeitersparnis. Bei einem erfahrenen Revisor können schon durch wenige eingesparte Prüfungsstunden die Kosten wieder eingespielt werden.

Thomas Schwalb: Noch eine abschließende Frage: man hört gelegentlich, dass ChatGPT nur eine kurzlebige Modeerscheinung ist und bald wieder von der Bildfläche verschwunden sein wird. Wie sehen Sie das?

Prof. Dr. Marc Eulerich: Nein, das ist keine Modeerscheinung! Blockchain war in vielen Bereichen eine Modeerscheinung. Das wurde hochgepusht. Technologie kann verändern, aber die Blockchain ist sehr komplex, weshalb die einfache Nutzung im Tagesgeschäft noch auf sich warten lässt.  ChatGPT habe ich auf meinem Handy und ich kann von überall darauf zugreifen. Künstliche Intelligenz ist hier, um zu bleiben!

Thomas Schwalb: Herr Professor Dr. Eulerich, vielen Dank für diese aufschlussreiche Diskussion über den Einsatz von ChatGPT in der Internen Revision!

Weiterführende Links

Leveraging ChatGPT for Enhancing the Internal Audit Process – A Real-World Example from a Large Multinational Company
https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4514238

A Demonstration of How ChatGPT Can be Used in the Internal Auditing Process
https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4519583

Dieses Interview wurde mit Zoom Videokonferenz aufgezeichnet, mit Word transkribiert und mit ChatGPT bearbeitet.

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