Interne Revision neu denken: Governance braucht Pflege

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Es ist eine Tatsache, dass die Welt nicht auf dem Weg ist, die Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu erreichen. Die Alarmglocke läutet. Und doch scheinen wir sie nicht laut und deutlich zu hören. Governance ist mehr als der dritte Buchstabe von ESG, es ist das übergreifende Konzept. Das Akronym ESG ist irreführend. Eine neue und nachhaltige Corporate Governance, sagen wir Governance 2.0, ist ein vielversprechender Weg. Die Governance muss gestärkt werden, um Misserfolge zu verhindern. Die Interne Revision kann mehr tun. Die Interne Revision kann es besser machen. Dieser Artikel soll dazu beitragen, den Gedanken zu fördern, dass die Interne Revision anders denken und sich anders verhalten muss, um eine umfassendere, rundere und wirksamere Rolle bei der Verbesserung der Governance, der Unterstützung der Nachhaltigkeit und der entscheidenden Triebkräfte für verbesserte ESG-Praktiken zu spielen, ob uns dieser Begriff nun gefällt oder nicht. Einige unserer alten Mantras sind in der unbeständigen und anspruchsvollen Welt, in der wir uns zunehmend bewegen, möglicherweise weniger anwendbar. Wirksame Interne Revisor:innen der Zukunft müssen sich von einigen unserer traditionellen Zwänge und Beschränkungen befreien. Wir müssen anders denken, uns anders verhalten und anders arbeiten sowie die Interne Revision neu denken, um das Wertversprechen des Berufsstands der Internen Revision voll auszuschöpfen. Die Positionierung der Internen Revison als „Gardener of Governance“ kann dem Berufsstand helfen, als Förderer des Lernens und des Wandels mehr Wirkung zu entfalten und Misserfolge in der Governance zu verhindern. Wie ein Garten ist auch die Governance nie „fertig“.

Dieser Artikel ist erstmal auf Englisch erschienen in:
The EDP Audit, Control, and Security Newsletter Volume 68, 2023 – Issue 3: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/07366981.2023.2255432
Übersetzung von Thomas Schwalb und Urban Becker

Einführung

„Es ist an der Zeit, Alarm zu schlagen“, so lautet der Aufruf zum Handeln auf halbem Weg zum Jahr 2030, das den Schutz der Menschen und des Planeten zum Ziel hat. Der Gipfel für nachhaltige Entwicklungsziele (SDG)1Accessed on 14 July 2023, https://www.un.org/en/conferences/SDGSummit2023 im September 2023, wird erneut der Wendepunkt sein.

Es ist eine Tatsache, dass die Welt nicht auf dem Weg ist, die Ziele bis 2030 zu erreichen. Um eine Klimakatastrophe zu verhindern, sind jetzt wirksamere und rechtzeitige Klimaschutzmaßnahmen erforderlich, wobei der Schwerpunkt auf SDG 13 liegt (Ziel 13 zielt auf die Bekämpfung des Klimawandels ab). Die Zeit ist jetzt reif. Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren. Wir müssen den Kurs ändern. Mit Tempo.

Rechtliche und regulatorische Maßnahmen (Zwangsmaßnahmen) werden ein entscheidender Teil der Lösung sein. Natürlich wird die Politik weltweit eine wichtige Rolle spielen müssen. Es sind mehr Energie und Tatkraft erforderlich. Ein Erfolg ist auch unwahrscheinlich, wenn die Führung großer, globaler Unternehmen die externen Effekte nicht als Teil ihrer Hauptziele betrachtet. Wir brauchen eine neue Unternehmensführung: Nachhaltige Governance. Eine neue oder nächste Generation der Unternehmensführung. Welche Rolle spielt die Interne Revision auf dieser Reise zum Schutz des Planeten, zur Pflege seiner biologischen Vielfalt und zu unserem Schutz? Eine wirksamere Interne Revision kann nur dazu beitragen, diese Herausforderungen zu bewältigen – und wir müssen aktiv werden. Jetzt.

„Wenn die Governance versagt, liegt das an einer zu starken Machtkonzentration oder an unzureichender Rechenschaftspflicht oder an beidem“ (Korine, 2020, S. 11). Die Interne Revision kann noch mehr tun, um ein Versagen der Governance zu verhindern.

In diesem Artikel geht es um die Rolle, das Selbstverständnis, die Positionierung und die Beiträge der Internen Revision bei einer differenzierten Betrachtung. Governance wird als das übergreifende Konzept betrachtet. Die Maximierung des Gemeinwohls durch die Shareholder  (Shareholder Welfare Maximation = SWM) ist das vorgeschlagene neue Paradigma der Corporate Governance. Die Positionierung der Internen Revision als „Gardener of Governance“ kann uns helfen, als Förderer des Lernens und des Wandels mehr Wirkung zu erzielen. Die Interne Revision kann mehr tun. Die Interne Revision kann es besser machen. Die Interne Revision kann das Fundament von Organisationen stärken und als echter Katalysator für positive, echte und energische Verbesserungen fungieren. Die Interne Revision muss neu überdacht werden, um das Wertangebot des Berufsstandes der Internen Revisor:innen voll auszuschöpfen.

Anders denken ist „Audit“2Accessed on 14 July 2023, https://auditfutures.net/blogs/thinking-differently-is-audit

Humphrey (2019) schlägt vor, die Interne Revision zu überdenken. Er stellt den Berufsstand der Internen Revision in Frage. Er fragt sich, ob die Prüfer die richtigen Fragen stellen. Für ihn ist „Vertrauen“ die Grundlage. Sein Plädoyer, die Interne Revision neu zu denken, und er schlägt vor, sich weniger um Unabhängigkeit, Berichterstattung und Beweiserhebung zu sorgen und den Berufsstand zu ermutigen, sich von den Zwängen und Beschränkungen seiner konzeptionellen Vergangenheit zu lösen. Seiner Ansicht nach kann die Interne Revision mehr sein als nur eine Form der Absicherung. Er fragt: „Was wäre, wenn wir zulassen, dass die Interne Revision mehr zu einer primären Funktion wird“, und stellt in Frage, „warum etwas ‚anderes‘ nicht als Interne Revision gelten kann“? In seiner Vision ist die Interne Revision eine Stimme, die zuhört und auf eine Art und Weise kommuniziert, die die Menschen verändert und ihnen ermöglicht, bessere Dinge zu tun: „Anders zu denken ist die Essenz von Audit!“

Der Gardener-Artikel von Lenz-Jeppesen (2022)3Lenz, R. and Jeppesen K.K. (2022), The Future of Internal Auditing: Gardener of Governance, EDPACS, 66:5, 1–21 https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/07366981.2022.2036314 schlägt die Positionierung der Internen Revision als Gardener of Governance als vielversprechende Metapher vor, um ihr Wertversprechen zu stärken, sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene. Der Artikel Lenz-Hoos ABC (2023)4Lenz, R. and Hoos, F. (2023), The Future Role of the Internal Audit Function: Assure. Build. Consult. EDPACS, 67:3, 39–52 https://doi.org/10.1080/07366981.2023.2165361 schlägt vor, das Repertoire der Interne Revision zu erweitern. Wir diagnostizieren ein „ESG-Hilflosigkeitssyndrom“. Wir schlagen ein ABC-Modell der Internen Revision vor, das „Build“ als neue dritte Säule der Wertschöpfung der Internen Revision hinzufügt, die die traditionellen Assurance- und Beratungsleistungen ergänzt. Wir ermutigen Interne Revisor:innen dazu, zu „Bauherren“ zu werden, auch wenn sie die ESG-Herausforderungen in ihren jeweiligen Organisationen angehen.

Ist es an der Zeit, das Akronym ESG zu beerdigen?

Um die rhetorische Frage zu beantworten: Wir erkennen natürlich an, dass der Begriff ESG weit verbreitet ist, auch wenn er oft falsch interpretiert wird, und daher ist es keine realistische Option, das Akronym aufzugeben. Der Begriff ESG ist inzwischen einfach zu gut etabliert. Inhaltlich sind wir der Meinung, dass es zwar eine gute Sache wäre, die ESG aufzuteilen, dies aber heute einfach nicht praktikabel ist.

Warum mögen wir das Konzept der ESG nicht? Das Akronym ESG ist zweifellos irreführend und vereinfachend. Es mag eine einfache Bezeichnung sein, aber wie vieles, was einfach ist, ist es auch faul. Governance (G) ist viel, viel mehr als nur der dritte Buchstabe von ESG. Unserer Meinung nach ist es das entscheidende übergreifende und untermauernde Konzept, das sowohl die E- als auch die S-Elemente ermöglicht. Ohne ein starkes G werden das E und das S scheitern.

Cadbury hat es vor über 30 Jahren gut ausgedrückt: „Corporate Governance ist das System, mit dem Unternehmen geleitet und kontrolliert werden“ (Cadbury Committee, 1992).5Accessed on 02 September 2023, https://en.wikipedia.org/wiki/Cadbury_Report Im Kern geht es bei der Unternehmensführung wie bei der politischen Führung darum, die Macht zu begrenzen und die Macht zur Rechenschaft zu ziehen“ (Korine, 2020, S. 15).

Wir sind der Ansicht, dass mit einer neuen oder nächsten Generation der Governance (Sustainable Governance) als übergreifendem Konzept die ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen wirksamer angegangen werden können. Eine wirksame Governance ist die übergreifende Voraussetzung für die Vermeidung von organisatorischem Versagen und für die erfolgreiche Bewältigung von E und S (Diagramm 1):

Bei der Prägung des Begriffs ESG6Pollman, Elizabeth, The Making and Meaning of ESG (October 31, 2022). U of Penn, Inst for Law & Econ Research Paper No. 22–23, European Corporate Governance Institute – Law Working Paper No. 659/2022, Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4219857: „Eine solide Unternehmensführung und Risikomanagementsysteme sind entscheidende Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung von Strategien und Maßnahmen zur Bewältigung ökologischer und sozialer Herausforderungen …“ (Pollman, 2022, S. 12, mit eigener Hervorhebung). Es gibt noch mehr. Es gibt mehr als E und S. Alle 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) verdienen gebührende Aufmerksamkeit, aber wir sind der Meinung, dass G (Governance) als übergreifendes Konzept Wert und Potenzial hat.

Diagramm 1. Governance (G) ist das übergreifende Konzept
Diagramm 1. Governance (G) ist das übergreifende Konzept

Die neue – oder nächste Generation – der Corporate Governance7Hart, Oliver D. and Zingales, Luigi, The New Corporate Governance (April 25, 2022). University of Chicago Business Law Review, Summer 2022, Vol.1, Issue 1, University of Chicago, Becker Friedman Institute for Economics Working Paper No. 2022–55, Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4094175 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.409

Das alte Paradigma „Shareholder Value Maximation (SVM)“ ignoriert die zunehmende Bedeutung von externen Effekten und sozialen Erwägungen. Während der Kapitalismus87. Accessed on 14 July 2023, https://en.wikipedia.org/wiki/Capitalism per se das beste bekannte System ist – zugegebenermaßen werden einige argumentieren, dass angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen zur Rettung der Menschen und des Planeten die Mechanismen des (neuen/nachhaltigen) Kapitalismus auch die (nicht-kapitalen, nicht-finanziellen) externen Effekte einbeziehen müssen, d. h. das E (Umwelt), das S (Soziales), und es gibt noch mehr. Das ist DIE Herausforderung: Wie können nicht-finanzielle Ambitionen erfolgreich in die Zielsetzungen der Unternehmen eingebettet werden?

Hart und Zingales (2022) bieten praktische Lösungen für die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialverantwortung bei der Gleichbehandlung. In ihrem wegweisenden Artikel wird „Shareholder Welfare Maximation (SWM)“ als neues Paradigma der Unternehmensführung vorgeschlagen: „The New Corporate Governance“. Die Präferenzen der Anleger haben sich geändert und werden sich wahrscheinlich weiter ändern. Die Anleger sind zunehmend sensibler für externe Effekte sowie für ökologische und soziale Fragen.
SWM = Finanzielle Auswirkungen + ʎ x Externalitäten, wobei ʎ von 0 bis 1 reicht und ʎ die sozialen Präferenzen der Aktionäre bei der Bewertung von Optionen und bei der Entscheidungsfindung darstellt. Es gibt keinen Plan(et) B, „Nachhaltigkeit ist da, um zu bleiben, und die Unternehmensführung wird sich damit auseinandersetzen müssen.“ (Thomsen, 2023).98. Thomsen, Steen, Sustainable Corporate Governance. An Overview and an Assessment. (May 25, 2023). Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4459225 or http://dx. doi.org/10.2139/ssrn.4459225 Thomsen (2023) schlägt vor, mit dem Unternehmenszweck zu beginnen und die Unternehmensführung anzupassen, wobei er die Schlüsselelemente der „nachhaltigen Unternehmensführung 2.0“ diskutiert.10Including company law (director liability), long-term owner- ship, ESG investment, company purpose, sustainability com- mittees, sustainability competencies, ESG incentives, climate plans, climate risk management, sustainability reporting, and internal carbon pricing. In seiner Roadmap für eine nachhaltige Unternehmensführung kommt er zu dem Schluss (Thomsen, 2023, S. 31): „Der vielversprechendste Weg für zukünftige Fortschritte ist es, mit einem Unternehmenszweck zu beginnen, der angibt, wie ein Unternehmen durch sein Kerngeschäft Werte für die Gesellschaft schafft. Während das Unternehmen darauf abzielen sollte, für alle seine Stakeholder, einschließlich der Natur, einen positiven Nettoeffekt zu erzielen, wird sein zentrales Wertversprechen durch den Unternehmenszweck definiert.“ Mit anderen Worten: Es gehört zur Erfolgsformel, weiter an der Regulierung zu arbeiten, die Forderungen zu erhöhen und den Zwang zu verstärken, aber die Bemühungen sollten sich nicht darauf beschränken. Anreize für Unternehmen können die Welt der Unternehmen dazu bringen, die Bedeutung der externen Effekte in ihrer Interpretation und Gleichsetzung von Shareholder Welfare.

Heutige C-Level-Führungskräfte und Aufsichtsratsmitglieder müssen sich anspruchsvolle Fragen stellen: Tun wir genug für den Schutz des Planeten, der Umwelt und der Menschen? Gibt es mehr, was wir tun können? Müssen wir den Zweck, die Vision und die Mission unseres Unternehmens oder unserer Organisation anpassen? Wie können wir unsere Unternehmensführung am besten anpassen, um dies zu ermöglichen und unsere Absichten in positive Maßnahmen umzusetzen? Wie sieht eine effektive und nachhaltige Unternehmensführung 2.0 aus? Wir haben vielleicht noch nicht alle Antworten. Es wäre jedoch ein guter Anfang, (diese und weitere) Fragen zu stellen. Wir müssen den Kurs ändern. Wir müssen es jetzt tun.

Wie wird sich die neue Corporate Governance auf die Zukunft der Interne Revision auswirken? „Versäumnisse in der Unternehmensführung treten nicht schlagartig auf, sondern entwickeln sich im Laufe der Zeit, oft über mehrere Jahre hinweg“ (Korine, 2020, S. 99). Aufbauend auf dem Gardener-Artikel (Lenz & Jeppesen, 2022) und dem ABC-Artikel (Lenz & Hoos, 2023) sehen wir den Wert von „The House of Governance“ mit der richtigen Einstellung als Grundlage: Ein Garten ist nie fertig.11Book title in German: “Ein Garten ist niemals fertig“(Lucenz & Bender 2018). Translated into English. „Corporate Governance ist nie ‚fertig'“ (Korine, 2020, S. 99). Governance muss ständig gestärkt werden. Governance braucht Pflege.

Governance braucht Pflege

Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass unser Planet in Gefahr ist. Im Global Risks Report 202312Accessed on 14 July 2023, https://www.weforum.org/ reports/global-risks-report-2023 machen Umweltprobleme sechs der zehn größten Risiken über einen Zeitraum von zehn Jahren aus (World Economic Forum 2023). Wie kann die Interne Revision am besten zur Bewältigung dieser globalen Herausforderungen beitragen und sie unterstützen?

Lenz und Hoos (2023, S. 44 und 49) schlagen vor: „Interne Revisor:innen müssen ihr Repertoire erweitern, um mit dem sich verändernden Kontext von kompliziert bis komplex umgehen zu können.“ Der ABC-Artikel plädiert für einen pragmatischen Weg, um dem Zweck der Organisation, für die wir arbeiten, besser zu dienen, indem wir möglicherweise zusätzlich zu „Assure“ und „Consult“ auch „Build“ zu unserem Repertoire hinzufügen, und damit „Dinge zu tun“, Mitglieder von Projektteams zu werden, (Co-)Architekten zu werden, die einen Mehrwert darstellen können, insbesondere wenn man bedenkt, was auf dem Spiel steht. ESG ist das Thema dieses Artikels, ein Beispiel. Es gibt noch mehr.

Ähnlich wie Humphrey (2019) schlagen Lenz und Hoos (2023, S. 49) vor, weniger Nabelschau in Bezug auf Unabhängigkeit und Objektivität zu betreiben und sich von den Zwängen und Beschränkungen der konzeptionellen Vergangenheit der Internen Revision zu lösen, indem sie ihr Credo für den künftigen Beitrag der Internen Revision zur ESG-Agenda vorschlagen: „Lasst die Internen Revisoren surfen gehen!“. Um den Wertbeitrag des Berufsstandes der Internen Revision voll auszuschöpfen, ist es notwendig, anders zu denken und die Interne Revision neu zu denken. Lassen Sie uns sehen, wohin das Projekt „Vision 2035“13Accessed on 14 July 2023, https://www.theiia.org/en/internal-audit-foundation/latest-research-and-products/ia-2035-project/ den Berufsstand voranbringen wird. Die Jury ist noch nicht entschieden. Vorläufig.

Lenz und Jeppesen (2022, S. 12) schlagen vor: „Gärtner des Regierens und nicht Wächter des Regierens, denn die Metapher „Gärtner“ zeigt ein gesundes Maß an Bescheidenheit, wenn sie der Realität und den unerwarteten Wetterbedingungen in der realen Welt ausgesetzt ist. Die Metapher „Gärtner“ unterstreicht die Bescheidenheit. Gärtner sind sehr respektvoll gegenüber der Natur und der Umgebung, in der sie leben. In ähnlicher Weise sind Interne Revisor:innen gut beraten, gegenüber dem Rest der Organisation, in der sie tätig sind, respektvoll zu sein. Mit der weichen Metapher des „Gärtners“ positionieren wir die Interne Revision als einen ständigen Lernenden, einen Alles-Lernenden, und nicht als einen Alles-Wissenden.“

Die Interne Revision kann noch relevanter, wirkungsvoller und effektiver werden, wenn sie versucht, die Grundlagen der Organisation zu stärken, die Denkweise und die Kultur zu verbessern und zu einem psychologisch sicheren Umfeld beizutragen, so dass sich alle am besten für den gemeinsamen Erfolg des Unternehmens einsetzen können.

Dabei müssen die Internen Revisor:innen die Organisation zunehmend inspirieren und Energie zuführen, anstatt Energie zu entziehen oder sie durch übertriebene Bürokratie, die als Kontrolle getarnt ist, zu erdrücken. Wir brauchen von der Internen Revision mehr als nur „Assurance“. Einige Sektoren mögen fortschrittlicher und innovativer sein als andere. So funktioniert die Evolution. Einige Interne Revisionsstellen werden die Innovatoren sein, andere werden (schnell) nachziehen, und wieder andere werden sich nicht oder kaum weiterentwickeln und verändern. Diejenigen, die sich überhaupt nicht anpassen, werden im Laufe der Zeit wahrscheinlich irrelevant werden.

Diagramm 2. House of Governance (Lenz und Chesshire) 2023
Diagramm 2. House of Governance (Lenz und Chesshire) 2023

Unser Haus der guten Unternehmensführung (Governance)

Mario Andretti, der italienische Autorennfahrer, pflegte zu sagen: „Wenn alles unter Kontrolle zu sein scheint, ist man nicht schnell genug“. Heutzutage sind die Dinge schon viel zu lange nicht mehr unter Kontrolle.

Wir müssen Leistung, Risiken und Kontrollen als miteinander verwoben betrachten. Governance ist mehr als der dritte Buchstabe des Akronyms ESG, es ist das übergreifende Konzept. Daher ist der Begriff ESG irreführend.

Wir stellen uns das Haus der Governance mit dem Leistungsmanagement in der obersten Etage vor. Das Risikomanagement in der Mitte, das Scharnier. Es gibt sozusagen Räume für Compliance, für E (Umwelt) und S (Soziales) und für mehr, z. B. Recht, Steuern, IT, und vor allem für strategische und operative Risiken (Diagramm 2).

Wir sehen die Interne Revision als Förderer des Lernens und des Wandels – und als Baumeister. Die Interne Revision kann dazu beitragen, das Fundament zu stärken und das ABC des organisatorischen Wandels – Einstellung – Verhalten – Kultur – zu verbessern. Ohne ein solides Fundament wäre das Haus der Governance einfach auf Sand gebaut.

Schlussfolgerung

Es ist eine Tatsache, dass die Welt nicht auf dem Weg ist, die Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu erreichen. Die Alarmglocke läutet. Und doch scheinen wir sie nicht laut und deutlich zu hören. Als globale Gesellschaft befinden wir uns derzeit auf dem Weg in die Katastrophe. Wir müssen den Kurs ändern. Wir müssen es jetzt tun. Wir müssen den Klimawandel begrenzen, indem wir gegen die Treibhausgasemissionen vorgehen. Wir müssen Wege finden, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) angemessen zu berücksichtigen. Politik und Organisationen/Unternehmen müssen mehr und besser tun. Dies wird nicht einfach, schnell oder unkompliziert sein. Wie Trent Reznor von Nine Inch Nails sagte: „Ich versuche wirklich, mich in unbequeme Situationen zu begeben. Selbstzufriedenheit ist mein Feind.“14Accessed on 27 August 2023, https://www.brainyquote.com/lists/topics/top-10-complacency-quotes Wir befinden uns in einer unbequemen Situation. Da ist kein Platz für Selbstzufriedenheit, auch wenn sich das vorübergehend beruhigend anfühlen mag.

Governance ist mehr als der dritte Buchstabe von ESG, es ist das übergreifende Konzept. Das Akronym ESG ist irreführend. Eine neue und nachhaltige Unternehmensführung, sagen wir Governance 2.0, ist ein vielversprechender Weg. Shareholder Welfare Maximation (SWM) ist das vorgeschlagene neue Paradigma der Corporate Governance, das auch externe Faktoren in die Zielvorgaben einbezieht.

Die Positionierung der Internen Revisor:innen als „Gärtner der Governance“ kann dazu beitragen, dass der Berufsstand als Förderer des Lernens und des Wandels an Einfluss gewinnt und Misserfolge bei der Governance verhindert. Wie ein Garten ist auch die Governance nie „fertig“. Governance braucht Pflege.

Wenn es darum geht, mehr zu tun, wird das Bauen („Build“) als dritte Säule des Portfolios vorgeschlagen, um das Repertoire zu erweitern und – wenn nötig – zu Projektmanagern, „Machern“, Mitgestaltern und Mitarchitekten im „House of Governance“ zu werden – wo immer es angebracht ist. Die Interne Revision kann mehr tun. Die Interne Revision kann das Fundament von Organisationen verbessern und dadurch das gegenseitige Verständnis fördern und das ABC des organisatorischen Wandels stärken: Einstellung, Verhalten und Kultur. Ohne ein solch solides Fundament wäre das Haus der Governance auf Sand gebaut. Wirksame Interne Revisor:innen der Zukunft werden zunehmend inspirieren, Energie zuführen und zu wirkungsvollen Mitgestaltern werden, die Menschen befähigen, bessere Dinge zu tun. Wirksame Interne Revisor:innen der Zukunft werden weniger auf Unabhängigkeit, Berichterstattung und Beweissammlung ausgerichtet sein. Wirksame Interne Revisoren der Zukunft werden sich von den Zwängen und Beschränkungen der konzeptionellen Vergangenheit lösen.

Um den Wertbeitrag der Interne Revision voll auszuschöpfen, ist ein Umdenken und ein Neudenken der Interne Revision erforderlich. Lassen Sie uns sehen, wohin das Projekt „Vision 2035“15Accessed on 31 August 2023, https://www.theiia.org/en/internal-audit-foundation/latest-research-and-products/ia-2035-project/: „The Internal Audit Foundation is undertaking a groundbreaking initiative: “Internal Audit: Vision 2035 – Creating Our Future Together.” This project is designed to identify what the internal audit profession will look like in 2035, how we can elevate the value of internal audit during that time, and what steps we must take to make that future a reality.“ den Berufsstand voranbringen wird. Die Jury ist noch nicht entschieden. Vorläufig.

„Ein GARTEN ist niemals fertig“ (Lucenz & Bender 2018).

Wie ein Garten ist auch die Governance nie „fertig“. Governance braucht Pflege.

Die Interne Revision kann mehr tun. Die Interne Revision kann es besser machen.

Die Positionierung der Internen Revisor:innen“ als „Gardener of Governance“ kann dazu beitragen, dass der Berufsstand als Förderer des Lernens und des Wandels an Einfluss gewinnt und das Versagen der Governance verhindert.

Danksagungen

Rainer und John danken den Gutachtern unseres Papiers, und wir danken Dan Swanson, dem geschäftsführenden Herausgeber von EDPACS, für die Gelegenheit. Wir danken David Hill, CEO von SWAP Internal Audit Services, und Alexander Ruehle, CEO von zapliance, für die Kofinanzierung von OPEN ACCESS.

Offenlegungserklärung

Der/die Autor(en) haben keinen potenziellen Interessenkonflikt angegeben.

ORCID

Rainer Lenz https://orcid.org/0000-0001-5498-5536

Anmerkungen

Referenzen

Hart, O. D., & Zingales, L. (2022, April 25). The new corporate governance. University of Chicago Business Law Review. Summer. Vol.1, Issue 1, University of Chicago, Becker Friedman Institute for Economics Working Paper No. 2022-55.
https://ssrn.com/abstract=4094175

Humphrey, C. (2019). Thinking differently is ‘audit’. Audit Futures, ICAEW.
https://auditfutures.net/blogs/thinking-differently-is-audit

Korine, H. (2020). Preventing corporate governance failure, Haupt Verlag.

Lenz, R., & Hoos, F. (2023). The future role of the internal audit function: Assure. Build. Consult. EDPACS, 67(3), 39–52.
https://doi.org/10.1080/07366981.2023.2165361

Lenz, R., & Jeppesen, K. K. (2022). The future of internal audit- ing: Gardener of governance. EDPACS, 66(5), 1–21.
https://doi.org/10.1080/07366981.2022.2036314

Lucenz, M., & Bender, K. (2018). Ein GARTEN ist niemals fertig. Bassermann Verlag.

Pollman, E. (2022, October 31). The Making and meaning of ESG. U of Penn, Inst for Law & Econ Research Paper No. 22-23, European Corporate Governance Institute – Law Working Paper No. 659/2022.
https://ssrn.com/abstract=4219857

Thomsen, S. (2023, May 25). Sustainable corporate governance. An overview and an assessment.
https://ssrn.com/abstract=4459225

World Economic Forum. (2023, January). Global risks report.
https://www.weforum.org/reports/global-risks-report-2023

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