Sonderuntersuchung – Königsdisziplin oder gelittene Notwendigkeit?

IIA - Sonderuntersuchung – Königsdisziplin oder gelittene Notwendigkeit?

Über die Sonderuntersuchung zu schreiben ist insofern ein lohnendes Unterfangen, weil gefühlter maßen die Notwendigkeit für Sonderuntersuchungen im Wirtschaftsleben im Steigen begriffen ist. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass nunmehr auch Bereiche, welche in der Vergangenheit eher nicht oder sehr selten in den direkten Interventionsfokus von Strafverfolgungsbehörden gelangten, deutlich mehr geworden sind. Die zunehmende Agilität der Strafverfolgungsbehörden z.B. auch mit Hausdurchsuchungen an ungewöhnlichen Orten (Ministerien) macht auch eine stärkere – hoffentlich präventive – Vorbereitung auf die Durchführung von Sonderuntersuchungen notwendig (sei es in Revisionsabteilungen oder anderen zuständigen Einheiten).

Da kommt es gerade recht, dass der nun seit geraumer Zeit in Aktualisierung befindliche Sonderband „Standards Sonderuntersuchung“ in der 2. aktualisierten Auflage noch im März 2023 in Buchform im Fachverlag LINDE und elektronisch erscheinen und somit beim nächsten ERFA am 30. März, zur Verfügung stehen wird. Danke dafür den mitarbeitenden Mitgliedern aus dem ThinkTank Wirtschaftskriminalität, besonders aber Inge Maukner-Bock (ehem. Siemens, nunmehr in Pension und Fachexpertin in eigener Praxis) und Dieter Stangl-Krieger (KPMG), die sich mit mir leidenschaftlich und taktgebend um das Zusammenführen der Inhalte und die neue Struktur bemüht haben.

An sich ist ja sowohl das Strafrecht (StGB) wie auch das Strafprozessrecht (StPO), verglichen mit anderen Rechtsgebieten eine durchaus „stabile“ Rechtsmaterie. Es ändert sich im Zeitablauf wenig und das meist nur nuanciert, sodass auch die Sonderuntersuchung auf einem stabilen gesetzlichen Fundament steht. Durch die 2018 in Kraft getretene DSGVO und eine sich fortentwickelnde Professionalisierung im Berufsstand sind jedoch mögliche Auswirkungen auf den Bereich Sonderuntersuchung und Prüfung in Verdachtsfällen zu berücksichtigen. Wir haben die 2. Auflage neu strukturiert und uns dabei an Anforderungen und Gliederung der IIA-Standards gehalten, und zwar mit der Überlegung, dass dies eine gute, bewährte Basis für die Wahl von Methode und Vorgehensweise darstellt. Gerade in der meist heiklen Situation eines zu untersuchenden Verdachtsfalles kann von der „Gegenseite“ (z.B. Verteidigung der Verdächtigen) versucht werden, mittels Kritik an Methode und Vorgehensweise die möglicherweise für den Mandanten inhaltlich ungünstigen Berichtsergebnisse zu desavouieren. Struktur und Vorgehensweise an international etablierten Standards zu orientieren stellt hingegen ein verlässliches Argumentationsfundament her.

1. Wie sollte man eine Sonderuntersuchung an den IIA-Standards ausrichten?

Die IIA-Standards gliedern sich grob in zwei wesentliche Gruppen, die Attributstandards und die Ausführungsstandards, ein Konzept, welches im IIA gerade in Überarbeitung ist. Man könnte auch sagen, dass die Attributstandards alle Aspekte in Vorbereitung einer Sonderuntersuchung abdecken, die Ausführungsstandards – nomen est omen – die konkrete Durchführung beschreiben. Daneben gibt es – quasi on top – noch einen weiteren Standard, den man eigentlich als den Goldstandard für Prüfungstätigkeiten in strafrechtlich relevanten Belangen im Auge haben sollte: Die Strafprozessordnung (StPO).

Zwar ist es nicht erforderlich, dass jede:r Revisor:in die StPO in- und auswendig kennt, doch erscheint es sehr empfehlenswert, sich zumindest mit einigen Themenbereichen vertraut zu machen, was die praktische Handhabung der eigenen Vorgehensweise in einer Sonderuntersuchung erleichtern sollte. Es gilt, sich die Voraussetzungen dafür (auch die StPO kennt Attributstandards, auch wenn die dort nicht so benannt werden) anzuschauen und sich mit der Abwicklung vertraut zu machen. Themen wie Objektivität, Befangenheit, Rechte von Verdächtigen oder sonstigen Betroffenen sind deutlich geregelt und gehen oft über das hinaus, was im regulären Prüfungsalltag gewohnt und üblich ist. Es gibt zwar keine Verpflichtung außerhalb der Strafverfolgungsbehörden zur unmittelbaren Anwendung der StPO, doch ist es gerade im Bereich der Sonderuntersuchung, welche sich praktisch immer nahe an oder schon in strafrechtlich relevanten Belangen bewegt, für die Anerkennung der Ergebnisse förderlich, wenn bereits im Zuge der Sonderuntersuchung die Grundlagen der StPO beachtet wurden. De facto sind es nur wenige ausgewählte Bereiche aus dieser Gesetzesmaterie, die zu beachten nicht schwerfallen sollte, weil es in der Praxis ohnedies zu einer zunehmenden Annäherung der Anforderungen an Prüfungsqualität und Prüfungsvorgehensweise in diesem Bereich kommt und implizit vielfach schon nach den Regularien der StPO gehandelt wird.

Die Definition der Sonderuntersuchung hat sich nicht geändert. Eine Sonderuntersuchung ist der ad hoc erteilte Auftrag zur Sachverhaltsdarstellung und der in diesem Zusammenhang nötigen Maßnahmenverfolgung bei plötzlich auftretenden, wirtschaftskriminellen Bedrohungen der Organisation oder schwerwiegenden Verdachtslagen.

2. Organisatorischer Rahmen

Wir sprechen hier praktisch betrachtet über die Attributstandards, die der Profession bestens bekannt und auch einzuhalten sind und Gegenstand aller berufsspezifischen Ausbildungen und Zertifizierungsmaßnahmen sind. So ist es einer der Hauptansprüche der Aktualisierung des Standards Sonderuntersuchung, die doch sehr spezifischen Vorgehensweisen bei Sonderuntersuchungen mit den Vorgaben des Berufsstandes in Form der Attribut- und Ausführungsstandards in Einklang zu bringen.

2.1. Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten

Der Standard 1000 behandelt die Themen Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten. Sonderuntersuchungen betreffen regelmäßig Situationen, bei denen Ad-hoc-Vorgehensweisen und „Lernen-am-Fall“ als keine ausreichende Vorbereitung gelten lassen. Noch bevor die erste oder aber die nächste Sonderuntersuchung „ganz plötzlich“ ansteht, muss das Zusammenspiel Geschäftsführung, Interne Revision und andere Unternehmensfunktionen vorab klar und deutlich geregelt werden. Dies kann – wie im Standard gefordert – in einer Geschäftsordnung der Revision geregelt werden. Aber es muss geregelt werden, egal wo. Es sollte klar hervorgehen, was von der Revision erwartet wird (Aufgaben), mit welchen Befugnissen ausgestattet die Revision durch die geprüfte Struktur „pflügen“ darf und wie die Verantwortlichkeiten im Fall der Fälle verteilt sind. Schriftlichkeit schafft hier Klarheit und den entscheidenden Zeitvorsprung. Ziel dieser Regelung muss es sein, innerhalb der Organisation bei vermuteten Verstößen eine rasche Handlungsfähigkeit der Internen Revision herzustellen, ungeachtet dessen, ob eine Untersuchung von der Internen Revision selbst oder mit Unterstützung Externer durchgeführt wird.

2.2. Objektivität und Unabhängigkeit

Der Standard 1100 beschreibt Themen der Objektivität und Unabhängigkeit. Objektivität hat in der Revision als Grundanforderung zu gelten und trotzdem sollte man in der Sonderuntersuchung hier die Schraube noch eine „bildliche“ Umdrehung fester anziehen. Gerade wenn aus dem Unternehmen heraus gegen Mitarbeiter:innen in Verdachtsfällen geprüft wird – ich verwende hier bewusst nicht den Terminus „ermittelt wird“, welcher den Strafverfolgungsbehörden vorbehalten sein sollte -, ist der Vorwurf mangelnder Objektivität rasch im Raum. Wohlgemerkt, hier genügt oft schon der Anschein. Damit kann an sich einer guten Prüfungsarbeit ordentlich das Fundament der Glaubwürdigkeit abgegraben werden. Schließlich sind es oftmals die eigenen Kolleg:innen im Unternehmen, gegen die sich Untersuchungen richten. Es ist daher die Frage nach der Aufrechterhaltung der Objektivität zu stellen. Und dieser Objektivitätsanspruch betrifft natürlich nicht nur den/die Leiter:in der Sonderuntersuchung, der sich als Revisor:in dessen meist gut bewusst ist, sondern alle im Prüfungsteam Mitarbeitenden, welche im Ausnahmefall der Sonderuntersuchung nicht immer aus der Revision kommen müssen, sondern z.B. besondere Expertise aus Fachbereichen mitbringen müssen bzw. können.

Der Standard 1100 befasst sich mit Objektivität und Unabhängigkeit, wie bereits oben angeführt. Schon in der „normalen“ revisorischen Tätigkeit werden diese beiden Prinzipien wie Selbstverständlichkeiten behandelt, was sie auch sein sollten, was aber bei näherem Hinsehen so manchen Zweifel oder Raum für Diskussion aufkommen lässt. Spätestens in einer Sonderuntersuchung gibt es bei diesen Themen aber keinen Millimeter Spielraum mehr. Im Zuge einer Sonderuntersuchung, in einer Situation also, in der die Revision eine potentielle Schädigung und/oder Gefährdung des eigenen Unternehmens durch ein oder mehrere Verdächtige zu untersuchen hat, wird wirklich objektiv zu bleiben zur Nagelprobe. Und das Ausmaß an Objektivität kann man lesen: im Untersuchungsbericht. Selbst nach über 25 Jahren als Gutachter in Strafverfahren, in welchen Objektivität oberste Pflicht und Auftrag darstellt, hat man sich manchmal einer Kritik hinsichtlich gewählter Worte zu stellen. Zum so angegriffenen Standpunkt, den man dann aufwendig „verteidigen“ musste, denkt man sich in so einem Fall oft insgeheim, „das hätte ich mir – ohne Einbuße der Qualität der Aussage – auch sparen können“. Fast jede:r Rezipient:in eines Sonderuntersuchungsberichtes einer Revision aus dem betroffenen Unternehmen wird mit sehr kritischem Blick nach Anzeichen mangelnder Objektivität suchen. Auch die Staatsanwaltschaft, welche unter Umständen auf den Fakten eine Anklage aufbaut, setzt die Objektivität nicht per se voraus, sondern prüft die Berichte, weil spätestens in einer Gerichtsverhandlung die Verteidigung an dieser Säule rütteln wird.

Auch die Unabhängigkeit wird von Externen in Frage gestellt und muss durch das entsprechende Verhalten im Zuge der Sonderuntersuchung und deren überzeugender Durchführung „verdient“ werden. Sie wird einem nicht per se zugeschrieben, auch wenn das den Standards entsprechend unternehmensintern gut geregelt ist.

Der Anspruch an Objektivität und Unabhängigkeit wird von der Staatsanwaltschaft per Gesetz gefordert. Wir sind also mit diesen Herausforderungen in guter Gesellschaft.

2.3. Sorgfaltspflichten, fachliche Kompetenz und Vertraulichkeitsverpflichtung

Der Anspruch, sorgfältig zu arbeiten, gilt natürlich bereits für die „normale“, also routinemäßig geplante revisorische Arbeit. Der Sorgfalt kommt aber in der Sonderuntersuchung noch erheblichere Bedeutung zu, weil das Ergebnis einen maßgeblichen Einfluss auf die Beurteilung von Schuld oder Unschuld einer untersuchungsverfangenen Person in strafrechtlicher Sicht auslösen kann. Und auch Sorgfalt kann man „lesen“. Orthografische Problemstellen, fehlerhafte Tabellen und andere Lässlichkeiten erzeugen den Anschein mangelnder Sorgfalt. Das Ergebnis der Arbeit, zumeist eben ein Bericht, wird von den Außenstehenden zuallererst an leicht erkennbaren Anzeichen wie z.B. Schlampigkeiten gemessen. Im Leitfaden „Standards Sonderuntersuchung“, 2. Aufl. heißt es: „Prüfer:innen führen Aufträge mit der gebotenen beruflichen Sorgfaltspflicht aus. Im Sinne einer faktenorientierten Berichterstattung müssen Schlussfolgerungen auf zuverlässigen, relevanten und nachweisbaren Informationen beruhen.“

Nicht jede:r „gestandene“ Revisor:in ist auch nach jahrelanger Erfahrung „automatisch“ mit der fachlichen Kompetenz für eine Sonderuntersuchung ausgestattet. Vielen ist das auch bewusst und so ist die Sonderuntersuchung in diesen Fällen eine ungeliebte Unterbrechung des regulären Prüfungsbetriebs. Und es besteht Grund, sich unwohl zu fühlen, wenn man bis dahin nicht schon einschlägige Kompetenz über Seminare, Literatur und andere Weiterbildungsmaßnahmen, aber auch praktische Erfahrung, gewonnen hat.

Eine der wesentlichsten Vorbereitungsmaßnahmen auf eine mögliche Sonderuntersuchung im revisorischen Prüfalltag ist, sich zu diesem Thema präventiv weitergebildet zu haben. Hier geht es vor allem darum, zu lernen, wie die Brücke zwischen der Feststellung betriebswirtschaftlicher Vorgänge hin zu juristisch fassbaren Auswirkungen zu schlagen ist. Auf die einschlägigen Seminare der Akademie Interne Revision sei an dieser Stelle verwiesen. Keine Sonderuntersuchung gleicht einer anderen, die Themenvielfalt ist groß und es gilt während der Untersuchung ergebnisoffen und flexibel zu denken.

Die Vertraulichkeit ist ein hohes Gut und daher sollten konkrete Maßnahmen zu deren Erhalt überlegt werden. Die eigenen Rohberichte in Zeitungen faksimiliert zu sehen, ist eine höchst unangenehme prüferische Erfahrung, die regelmäßig sogar dem Rechnungshof widerfährt. Trotzdem muss alles getan werden, um die eigene Glaubwürdigkeit in Sachen Vertraulichkeit bestens zu wahren.

2.4. Qualitätssicherung

Die Glaubwürdigkeit einer Revision bemisst sich an der Akribie, mit der sie Qualitätsmanagement betreibt, also bereit ist, aus eigenen Defiziten zu lernen. Dies gilt besonders für die unter Umständen nach außen wirkende Sonderuntersuchung, deren Auswirkungen im Endeffekt für die untersuchten Personen dramatisch sein können. Wobei sich die Qualitätsüberlegungen nicht nur auf die Richtigkeit des Ergebnisses fokussieren sollen, sondern vor allem auch auf die Prozesse rund um die Entstehung des Ergebnisses. Wenn ein:e Prüfer:in einmal mit einem „kleinen Kompromiss“ z.B. im Bereich der Unabhängigkeit durchgekommen ist, heißt das nicht, dass dies beim nächsten Mal wieder klappt. Ich denke hier z.B. an die Beziehung von Prüfer:innen, welche vielleicht früher einmal in der untersuchten Einheit tätig waren und damit – prüferisch bequemes – Expertenwissen mitbringen. Das soll nicht heißen, dass so etwas gar nicht geht, es will aber wohl am besten dokumentiert begründet und laufend kritisch überwacht sein.

3. Durchführung der Sonderuntersuchung

Neben den bisher besprochenen Attributstandards sind dann für die Durchführung selbst die sogenannten Ausführungsstandards relevant.

3.1. Leitung, Team und Auftrag

Zu Beginn eines Verdachtsfalles geht es bei Beauftragung einer Sonderuntersuchung – in solchen Fällen meist unter erheblichem Zeitdruck – um das Dreigestirn „Leitung – Team – Auftrag“. Und es ist nicht der Auftrag, wie vielleicht mancher intuitiv meinen würde, welcher zuerst zu klären ist.

Es sei hier die Metapher der Feuerwehr verwendet. Erst zum Zeitpunkt des Brandalarms (Auftrag) sich darüber Gedanken machen zu wollen, wer Mitglied der Mannschaft sein soll, die ausfährt, und noch schlimmer, sich dann erst darüber zu einigen, wer denn den Löscheinsatz leiten soll, wird wohl schon der Hausverstand als nur wenig zielführend und vorausschauend ansehen. Praktisch ist die Revision im Falle eines unvermittelt auftauchenden Verdachtsfalles durchaus mit der Feuerwehr vergleichbar.

Vorab sollte also im Unternehmen klar definiert und kommuniziert sein, wer im Fall der Fälle einer Sonderuntersuchung den Lead übernehmen soll. Das kann, muss aber nicht zwangsläufig, der Leiter der Internen Revision sein (CAE), doch kann diese Position auch von einer speziell dafür ausgebildeten Person – im Idealfall verbunden mit Erfahrung aus der Praxis – ausgeübt werden. Im Leitfaden „Standards Sonderuntersuchung“, 2. Aufl. wird auch ausführlich auf die Aufgaben der Leitung einer Sonderuntersuchung eingegangen.

Die Zusammenstellung des Prüfer:innenteams in einer Sonderuntersuchung sollte sich vor allem an den Anforderungen der Verdachtslage orientieren. Aber auch die Team-Mitglieder sollten bereits eine Grundausbildung hinsichtlich der Besonderheiten einer Sonderuntersuchung genossen haben. Zumindest eine entsprechende Einweisung vor Beginn der Tätigkeit durch die Leitung oder beispielsweise die Lektüre des Leitfadens „Standards Sonderuntersuchung“, 2. Aufl. ist zu empfehlen.

Ergänzend zum eigentlichen Team sollte auch jederzeit die Möglichkeit zur Beiziehung von Expert:innen für Fachfragen bzw. für unvermittelt auftauchende andere Verdachtsmomente möglich sein. Da hier oft erheblicher Zeitdruck vorliegt, wäre auch die Definition eines Expert:innenpools, auf den bei Bedarf rasch zurückgegriffen werden könnte, hilfreich. In diesem Fall können sich auch die nominierten Expert:innen entsprechend vorbereiten.

Der Auftrag ist für das Prüfteam das Kernstück und zugleich „Versicherungspolizze“ bei jeder Sonderuntersuchung. Es erscheint dem Autor durchaus zielführend, wenn der Untersuchungsleiter bereits bei der Auftragsformulierung mit eingebunden ist. Hier geht es nämlich auch darum, das (in der Regel von der Geschäftsleitung) Gewünschte mit dem (durch das Sonderuntersuchungsteam) Machbaren (Themenauswahl, Zeit) bestmöglich in Einklang zu bringen, sodass den Erwartungen auch bestmöglich entsprochen werden kann.

Der Auftrag und seine Ausgestaltung wird im Leitfaden „Standards Sonderuntersuchung“, 2. Aufl. entsprechend erläutert.

Hoffentlich nicht nötig, aber sehr wesentlich anzumerken, ist, dass nur „ergebnisoffene“ Aufträge akzeptiert werden dürfen. Auch verklausulierte Festlegungen jeglicher Art sind von der Leitung der Sonderuntersuchung bereits zu Beginn mit der Begründung der Attributstandards (s.o.) zurückzuweisen.

3.2. Art der Arbeiten und Ablauf der Sonderuntersuchung

Die Art der Arbeiten lassen sich mit dem Vorgehen in drei Dimensionen beschreiben:

  • Systematisches Vorgehen
  • Zielgerichtetes Vorgehen und
  • Risikoorientiertes Vorgehen

Zum systematischen Vorgehen wird im Leitfaden „Standards Sonderuntersuchung“, 2. Aufl. ausführlich auf die hier möglichen und üblichen Methoden eingegangen.

  • Befragungen und Interviews
  • Forensische Datensicherungen
  • Durchsicht von Unterlagen jeglicher Art
  • Datenanalyse (Massendaten)
  • Background Checks
  • Tatortaufnahmen (ja, auch sowas ist wichtig in der Sonderuntersuchung)
  • Echtheitsprüfungen
  • Spezifische Gutachten (z.B. in Bausachen zur Abschätzung benötigter Arbeitsstunden oder Materialien)
  • Mystery-Shopping
  • Zusammenarbeit mit Behörden
  • Gerichtstaugliche Beweissicherung und Berichterstattung

Beim zielgerichteten Vorgehen geht es darum, dass in der Sonderuntersuchung meist in zwei Stufen vorgegangen wird. Zuerst muss rasch ein Überblick über das potentielle Geschehen erlangt werden bzw. eine Einschätzung dazu erfolgen und erst danach, im zweiten Schritt, wird der Frage nachgegangen, wie es zum Vorfall kommen konnte. Dieser Ansatz dient einerseits dazu, möglichst rasch eine erste Verdachtsverifizierung zu schaffen (Stichworte: Schadensbegrenzung, Tätereingrenzung, Sachverhaltsplausibilisierung). Andererseits sollen im zweiten Schritt die Ursachen, die den Vorfall ermöglicht oder begünstigt haben, ans Tageslicht gebracht werden.

Risikoorientiertes Prüfvorgehen ist in der Revision vor allem monetär angeleitet. Für die Sonderuntersuchung bedeutet dies aber, dass die laufend erarbeiteten Erkenntnisse zu einer ebenso laufend angepassten Untersuchungsmethodik führen.

Der Ablauf der Sonderuntersuchung ist das Kernstück der Sonderuntersuchung, welchem auch maßgeblich der Leitfaden „Standards Sonderuntersuchung“, 2. Aufl. Raum widmet.

Ablauf Sonderuntersuchungen

Hier sollen exemplarisch einige Sonderfragen herausgehoben werden.

3.2.1. Timeline

Timelines haben sich in vielerlei Hinsicht in komplexen Vorgängen, die mehrere Personen und Kommunikation über längere Zeiträume hinweg umfassen, sehr bewährt und bilden häufig erst die Basis, sinnvolle Fragen in Interviews zu stellen.

Gerade die Darstellung auf Zeitachsen zur Involvierung von Organisationen und Personen, Entstehung von Vertragsbeziehungen oder Handlungsabläufen unterstützen die verbale Beschreibung optimal und sind aus den Berichten nicht mehr wegzudenken.

Sich rechtzeitig mit Tools dafür auszustatten und vertraut zu machen, erscheint als einer der schon oben angesprochenen Punkte zur Vorbereitung auf den Ernstfall sehr empfehlenswert. Eines dieser Tools mit einer kostenlosen Basisversion ist z.B. www.officetimeline.com. Je nach Fall-Komplexität können auch noch andere kommerzielle Tools zur Anwendung gelangen.

3.2.2. Öffentlichkeitsarbeit

Dass die Arbeit der Internen Revision insbesondere im Rahmen einer Sonderuntersuchung irgendetwas mit Öffentlichkeitsarbeit zu tun haben könnte, erscheint vielen nach wie vor mehr als befremdlich.

Tatsächlich stellen Verdachtsfälle, denen im Rahmen einer Sonderuntersuchung nachgegangen wird, jedoch in vielerlei Hinsicht auch eine Herausforderung für die Kommunikation dar, wobei man sich hier als „Öffentlichkeit“ ein Continuum von „betriebsinterner Öffentlichkeit“ über eine „externe Öffentlichkeit“ (Ermittlungsbehörden oder ggf. Geschäftspartnern) bis hin zur „breiten Öffentlichkeit“ im Sinne einer medialen Wahrnehmung vorzustellen hat.

Das Bedürfnis, die Reputation der betroffenen Unternehmenseinheit/Institution bzw. der übergeordneten Organisationseinheiten (Konzern, Verwaltung) zu schützen, erscheint diametral dem Gedanken einer Öffentlichkeitsarbeit entgegen gerichtet zu sein. Bei genauerer Betrachtung und einem modernen Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit wird aber rasch klar, dass dies kein Gegensatz ist, sondern eine logische und unbedingt gemeinsam zu denkende Einheit. In Zeiten zunehmender Bedeutung von Compliance, mit einer öffentlichen Wahrnehmung, wie Unternehmen damit umgehen, kann dieses im Anlassfall unterstreichen, dass vermutetes Fehlverhalten untersucht und ggf. sanktioniert wird.

Eine qualitätsvolle Sonderuntersuchung hat also auch – in enger Kooperation mit der Unternehmenskommunikation – eine Vorstellung und ein Konzept, wie, wo und an wen der Umstand, dass es eine Sonderuntersuchung gibt, zu kommunizieren ist. Fortgang und schließlich Ergebnis der Sonderuntersuchung sind ebenfalls zu kommunizieren, schon alleine um (unrichtige) Gerüchte gar nicht aufkommen zu lassen.

Das alles muss das Sonderuntersuchungsteam natürlich nicht (auch noch) selbst bewerkstelligen, sollte es vielleicht auch gar nicht, weil dazu die Kompetenzen fehlen und unter Umständen dies ein Problem im Sinne der Objektivität werden könnte. Dazu sollte es Fachleute im Unternehmen bzw. der Organisation geben oder die Geschäftsleitung deckt diese Aufgabe ab. Das bedingt, dass Vertreter:innen der Kommunikationsabteilung auch als Teil des Sonderuntersuchungsteams gesehen und damit auch eingeplant werden.

Krisenkommunikation – und der Umstand eines Verdachtsfalls ist wohl als Ausdruck einer Krise zu sehen – ist eine Spezialdisziplin der Kommunikation und will ebenfalls vorbereitet sein.

3.2.3. Berichterstattung und „Lessons Learned“

Abschließend noch ein Thema, das nach wie vor insbesondere in der Internen Revision kontroversiell diskutiert wird: Wie sind Kritik an der Organisation und Verbesserungsvorschläge im Sonderuntersuchungsbericht zu handhaben?

Organisationskritik, also Kritik über allfälliges Fehlverhalten Einzelner hinaus, und vor allem die Empfehlungen für Verbesserungen sind im modernen Selbstbild der Revision nicht nur angekommen, sondern auch tief verankert. Umso verstörender wirkt die Aufforderung, diese Themen aus dem Sonderuntersuchungsbericht auszuklammern und unter keinen Umständen dort zu verhandeln.

Wer allerdings über seinen Bericht hinausdenkt und vor allem überlegt, welche – unter Umständen gar nicht intendierten – Berichtsadressaten diesen für die eigene Argumentation weiterverwenden könnten, versteht rasch, warum Selbstkritik (als Organisationskritik) aus Gründen des Schutzes der eigenen Organisation und zur Abwendung noch weiterer Folgeschäden schlicht nichts im Sonderuntersuchungsbericht verloren hat. Der Untersuchungsbericht wäre dafür das falsche Medium.

Das heißt natürlich nicht, dass diese Aspekte damit „unter den Tisch“ fallen bzw. unter den berühmten Teppich gekehrt werden sollen, absolut nicht. Diese „lessons learned“ sind gerade bei solch kritischen Fehlentwicklungen, die zu möglichen wirtschaftskriminellen Handlungen führten, natürlich zu behandeln und auch den erforderlichen Stellen zu erläutern. Der Punkt ist nur, dass dies nicht im Sonderuntersuchungsbericht erfolgen sollte, der unter Umständen weite Kreise ziehen, Eingang in den Akt der Strafverfolgungsbehörde finden und somit der Akteneinsicht unterliegen kann. Hierfür sollten andere Formate oder spätere Berichte vorgesehen werden.

Gute “lessons learned” sind letztlich nichts anderes als eine produktive Form von “Selbstkritik”, bezogen auf das eigene Handeln und die eigenen Organisationsstrukturen. Es wird deutlich gemacht, was die inkriminierten Tathandlungen überhaupt erst möglich gemacht haben und wie man unter Umständen dem Täter “zugearbeitet” hat. Das wiederum kann dann leicht dadurch zum Boomerang werden, wenn andere Stakeholder diese “Selbstkritik” gegen die von uns vertretene Organisation verwenden. Im Strafverfahren kann das bedeuten, dass damit Verbandsverantwortlichkeit nachweisbar wird und in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Täter könnten solche Analysen ebenfalls die Rechtsposition der eigenen Organisation unterminieren. Noch viele andere Möglichkeiten sind denkbar, in welchen „lessons learned“, wenn im Sonderuntersuchungsbericht mitgeliefert, zu unbeabsichtigten Folgeschäden führen können.

4. Conclusio

Die Sonderuntersuchung ist die Königsdisziplin der prüfenden Professionen. Die Ansprüche an die Voraussetzungen (Attributstandards) und die Abwicklung (Ausführungsstandards ) sind noch einmal höher als in der alltags gewohnten, „normalen“ Prüfungssituation.

Dies ist darauf zurückzuführen, dass einerseits erhebliche wirtschaftliche Nachteile (Schäden) entstanden sein könnten und andererseits die Reputation, bis hin zur Grundrechtseinschränkung von verdächtigen Personen am Spiel steht.

Unser Vorschlag im Leitfaden „Standards Sonderuntersuchung“, 2. Aufl. lautet daher, die Vorbereitung und Durchführung einer Sonderuntersuchung ganz bewusst und konsequent am erprobten, bewährten und international anerkannten Standardmodell des IIA auszurichten. Das kann mit einer gewissen Flexibilität geschehen, doch bietet die Ausrichtung an den IIA-Standards auch ein solides Argumentationsfundament für die eigene Vorgehensweise, nämlich, dass diese lege arte erfolgt ist.

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